Mühsamabend

"Du bist nicht schön und dennoch lieb ich dich"

(Ein musikalischer Erich-Mühsam-Abend)

Besetzung Schauspielgesang und Klavier
Entstehung siehe Abschnitt Wehrdienst in meinen Lebensbildern
zur Uraufführung siehe Abschnitt Uraufführung des "Erich-Mühsam-Programms" in meinen Lebensbildern
siehe auch www.muehsam.de
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Dramaturgie des Programms

Dieses Programm geht dramaturgisch über ein reines Songprogramm hinaus. Sicher ist es zwar so, dass jedes Lied für sich funktioniert, dennoch ist der Abend, so wie er hier vorliegt, direkt als Theaterinszenierung zu verstehen. Daniel Morgenroth und ich haben das Leben Mühsams dramaturgisch nachempfunden. Dabei haben wir es in drei Etappen gegliedert:

  1. Die expressionistische Phase
  2. Bohemianzeit
  3. Sein Ende

"Die Revolution, ein Drama in fünf Akten" ist rein als Zugabe zu verstehen. Das letzte Lied ist demzufolge eigentlich "Der Gefangene". Sollte dem Publikum, und wir haben es nie erlebt, trotz über 600 Vorstellungen, nicht der Atem stocken, kann man "Die Revolution..." hinterhersetzen.

Ablauf
  1. Mühsamabend im Deutschen TheaterEntree:
  2. Produktion (1)
  3. Hundert wunderdunkle Wolken
  4. Produktion (2)
  5. An dem kleinen Himmel meiner Liebe
  6. An E. B. Du bist nicht schön, und dennoch lieb ich dich
  7. Brief an Karl Kraus
  8. Thekla
  9. Die Männer, welche Wert…
  10. Politisches Variete'
  11. Der Revoluzzer
  12. Kalender 1913 (Mai)
  13. Geht der Mensch im …
  14. Dämmerung
  15. Öffentlicher Dank
  16. Grete
  17. Liebesweh
  18. Motto
  19. Das Nichts – Klaviersolo
  20. Paar urnische Männlein… - Mit feilen Worten
  21. Philistrosität… Boheme
  22. Oh Mitmensch
  23. Trostspruch
  24. Erziehung
  25. Den Menschen vieles… - Anekdote
  26. Ach, ihr Seelendreher
  27. Mit einem starken Schweden ringen…
  28. Einleitung. Das nun folgende Lied ist die … Es stand ein Mann am Siegestor
  29. Rendezvous
  30. Was ist der Mensch
  31. Ekel
  32. Der Krater
  33. Der Gefangene
Details
Produktion
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[1] Denk ich zurück an meine frühsten Wochen:
Ich sog an hochgeblähten Ammenbrüsten,
von guten Tanten liebevoll berochen,
die zahnlos schnalzend den Popo mir küßten.
Doch was ich dann in stiller Reflexion
in meiner Wiege Windeltuch verrichtet,
mich mühsam reckend mit gestrafften Beinen,
das ward ­ des Kindes ganze Produktion ­
in Seifenzubern und an Wäscheleinen
hinweggespült, getrocknet und vernichtet...
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[2] Das Kind ward groß. ­Das Unglück wollt's: es dichtet.
Nun stehn um mich die Hinzen und die Kunzen
und fühlen zum Bewundern sich verpflichtet
und warten: wird der Pegasus nicht brunzen?
Doch was sich dann in stiller Reflexion
herausgequält und aufs Papier ergossen,
das lassen sie in hohlen Schädelfässern
verschmalzen, dann vertrocknen und verwässern
und meinen dabei: So wird Kunst genossen.
Mensch, hüte dich vor jeder Produktion!
An dem kleinen Himmel meiner Liebe
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Text An dem kleinen Himmel meiner Liebe
will ­mich dünkt ­ein neuer Stern erscheinen.
Werden nun die andern Sterne weinen
an dem kleinen Himmel meiner Liebe? ...
weiter siehe hier
An E. B. Du bist nicht schön, und dennoch lieb ich dich
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Text Du bist nicht schön, und dennoch lieb ich dich.
Du lügst, und dennoch glaub' ich deinen Worten.
Nie öffnest du mir deiner Gnadenpforten
Geheiligtes, und dennoch lockst du mich.
Warum verwirrst du, was mein Wesen ist,
machst meine Wege strauchelnd und gefährlich?
Weil du mir unergründlich, unerklärlich
und dennoch aller Rätsel Lösung bist.
Thekla
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Text Mädchen mit den krummen Beinen,
wie dein Dackel schief im Gang,
glätte mir dein weißes Leinen.
Grade will dein Wuchs mir scheinen,
liegst du lang.
weiter siehe hier

Die Männer, welche wert auf Weiber legen, tun dieses leider meist der Leiber wegen.

Politisches Varieté – gelesener Text
Der Revoluzzer

(Der deutschen Sozialdemokratie gewidmet)

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Text War einmal ein Revoluzzer,
im Zivilstand Lampenputzer;
ging im Revoluzzerschritt
mit den Revoluzzern mit ...
weiter siehe hier
Kalender 1913, Mai
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Liebesweh
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Text Zähre rieselt mir um Zähre
in des Betts zerwühltes Laken.
Bange Angstgedanken haken
sich in meiner Seele Schwere.
Schmerzgekrümmt sind meine Beine;
traurig triefend hängt der Bart
von den Tränen, die ich weine -
und die Nase trieft apart ...
Ach, es ist der Traum der Liebe,
den ich durch die Seele siebe.
Ach, es ist der Liebe Weh,
die mich zwickt vom Kopf zum Zeh. -
Armes Herz! Die Träume wittern
fernen Trost. Ich spann' die Ohren -
und durch meiner Seele Zittern,
fernherflüsternd, traumverloren,
murmelt ein geliebter Mund:
Schlapper Hund!
Motto
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Text Das Schicksal kann den Körper prügeln,
kann mit Kandare, Sporen, Bügeln
den Fuß, die Hand, die Stimme zügeln.
Der Geist steigt auf mit freien Flügeln
und lacht ins Tal von Wolkenhügeln.
Das Nichts – Klaviersolo
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Text Ich sah durch ein hohes, großes Loch.
Ist Nichts darin? - Doch! scholl es. - Doch!
Und ich suchte und suchte und grub nach dem Nichts. -
Da quoll aus dem Loch eine Garbe Lichts. -
Ich habe das Nichts gefunden, -
Und mir um die Stirn gewunden.
Was hat denn... – erzählter Text
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Paar urnische Männlein… 
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Text Paar urnische Männlein, paar lesbische Weiber,
paar Reimer, paar Zoter, paar Schnüffler, paar Schreiber, –
Café, Zigaretten, Gefasel, Gegrein – –
in summa: ein Literaturverein.
Mit feilen Weibern zarte Bande knoten
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Text Mit feilen Weibern zarte Bande knoten,
mit teuren Freunden saufen, fluchen, zoten
und hintendrein mit Flüchen sich behäufen
und trostlos seinenGram im Schnaps ersäufen;
bald wieder um soziales Elend schluchzen
und bald auch huren und sein Geld verjuchzen,
dann lyrisch stimmungsvoll sich übergeben –
seht, das ist echtes deutsches Künstlerleben!
Philistrosität – gelesener Text
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Oh Mitmensch…
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Text

O Mitmensch, willst du sicher sein
in deinem Treiben und Getue,
so schau in Nachbars Kämmerlein,
in Nachbars Bett, in Nachbars Truhe.
Und wie er's hält und wie er's macht,
richt deinen Wandel ein desgleichen,
auf daß der Nachbar in der Nacht
getrost darf in dein Zimmer schleichen.
So wirst du in der Sympathie
der Zeitgenossen wohl bestehen,
und niemand braucht als Schweinevieh
und Lumpen scheel dich anzusehen.
Nur das Besondere mißfällt,
das Eigne und Originale.
Ein kluger Mitmensch aber hält
sich allezeit an das Normale.

Trostspruch
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Text Glaub nie, was in den Büchern steht.
Selbst sei dir Weiser, selbst Prophet!
Glaubst du, was alle Leute glauben,
dann glaube nicht, daß du was weißt.
Das Wissen nur kann niemand rauben,
das bei den Menschen Glauben heißt.
Erziehung
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Text Der Vater zu dem Sohne spricht:
Zum Herz- und Seelengleichgewicht,
zur inneren Zufriedenheit
und äußeren Behaglichkeit
und zur geregelten Verdauung
bedarf es einer Weltanschauung. ...
weiter siehe hier

Den Menschen vieles gibt das Leben,
Doch nicht ein jeder liebt das Geben.

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Anekdote

wird nach einem Erlebnis von E. Mühsam frei erzählt

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Ach, ihr Seelendreher
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Text Ach, ihr Seelendreher,
Ach, ihr Geisterseher,
Kluge Psychologen!
Euch kommt angeflogen,
Was wir nie ergründen:
Unsre dunkeln Sünden,
Unser Weh und Ringen,
Unser Träumen, Singen,
Unser Kämpfen, Gären
Wißt ihr zu erklären.
Ihr kennt wohl Bescheid
Tief in unserm Leid.
Ängsten uns die Hexen,
Sprecht ihr von Komplexen.
Starren aus den Ecken
Fratzen, die uns schrecken,
Quält uns Gott und Satan,
Gleich rückt euer Rat an,
Und prophetisch-pythisch,
Psychoanalytisch
Sucht ihr krumm und grade
Unsre Seelenpfade.
weiter siehe hier [nicht im Mühsamabend]

Mit einem starken Schweden ringen ist nicht so leicht wie Reden schwingen.

Es stand ein Mann am Siegestor
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Text Es stand ein Mann am Siegestor,
der an ein Weib sein Herz verlor.
Schaut sich nach ihr die Augen aus,
in Händen einen Blumenstrauß.
Zwar ist dies nichts Besunderes.
Ich aber – ich bewunder es.
Rendezvous
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Text Ich bin verdammt zu warten
in einem Bürgergarten
auf das geliebte Weib.
Nun sitz ich hier als Beute
gewissenloser Leute
mit breitem Unterleib.
 
Sie sind so froh beim Biere,
bald zwei, bald drei, bald viere -
und reden vom Geschäft.
Die Gattin spricht vom Hause,
die Töchter trinken Brause,
und Flock, das Hündchen, kläfft.
 
Die Kellnerinnen schwirren.
Die Tischgeschirre klirren.
Der Himmel scheint so blau.
Wie süß ist's doch, zu warten
in einem Bürgergarten
auf die geliebte Frau.
Was ist der Mensch?
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Text Was ist der Mensch? Ein Magen, zwei Arme,
ein kleines Hirn und ein großer Mund,
und eine Seele - dass Gott erbarme!
 
Was muss der Mensch? Muss schlafen und denken,
muss essen und feilschen und Karren lenken,
muss wuchern mit seinem halben Pfund.
Muss beten und lieben und fluchen und hassen,
muss hoffen und muss sein Glück verpassen
und leiden wie ein geschundner Hund.
Durch Ekel fahr ich meinen Lebenskarren
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Text Durch Ekel fahr' ich meinen Lebenskarren.
Der Kutschbock kracht. Es ist ein elend Holpern.
Die Gäule, die man Jahre heißt, sie stolpern
In faulem Trott, und alle Fugen knarren.
 
Aus ungeölten Speichen quiekt mein Gott -
Kein Witz hilft, den ich in die Deichsel träufel! -
So klappert's durch die Welt. - Als Hüh und Hott
Keif' peitschend ich den Mähren zu: Pfui Teufel!
Der Krater
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Text Bleib sitzen, wo du sitzst, und laß die Beine
Vom Rand hernieder in den Krater baumeln.
Da unten ist Musik ... und Hexen taumeln
In eines wilden Feuers Scheine,
Das Teufel speien.
Ins Chaos abgestürzte Seelen schreien
Nach Kameraden, die vom Kraterrande
Die Beine lotend in die Tiefe senken ...
weiter siehe hier
Der Gefangene
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Text Ich hab's mein Lebtag nicht gelernt,
mich fremdem Zwang zu fügen.
Jetzt haben sie mich einkasernt,
von Heim und Weib und Werk entfernt.
Doch ob sie mich erschlügen:
Sich fügen heißt lügen! ...
weiter siehe hier
Die Revolution
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Text ein Drama in fünf Akten, handelnd in Rußland
weiter siehe hier
Babette
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Text Folg mir in mein Domizil,
liebes Kind und frag nicht viel.
Wirst schon alles lernen...
weiter siehe hier
Lieschen
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Text Warum faltest Du die Hände,
daumendrehend Dir im Schoß...
weiter siehe hier